Der Löwenzahn -

ein Überlebenskünstler mit oder ohne Partner

Text und Bilder von Ernst Hofmann

Bild 1: Blühender Löwenzahn

Bild 2: Verblühter Löwenzahn, Pusteblume

Bild 3: Siamesische Zwillinge

Der Löwenzahn – Ein Überlebenskünstler mit oder ohne Partner

Jeder kennt ihn, insbesondere unter dem Dialektnamen „Säublueme“, „Chrottäpöschä“, „Puste-blume“ usw. oder eben mit dem Namen Löwenzahn, der sich auf die spitzzahnigen Blätter be-zieht. Im Frühling leuchten die goldgelben Blüten zu Tausenden in unseren Fettwiesen oder nach dem Verblühen die weissen Schirmchen, die eine Unzahl von Samen über unsere ganze Landschaft, Garten, Terrassen, ja kleinsten Ritzen verteilen. Der Löwenzahn überlebt sowohl den Rasenmäher als auch die Unkrautvertilger.

Warum ist er überall verbreitet und dominiert im Frühling durch seine auffällige Präsenz?

Aufgrund seiner unterschiedlichsten Vorlieben für seine Fortpflanzung und seiner Vermehrung konnte der Löwenzahn lange Zeit keiner eigenen Art zugeordnet werden. Er gehört zur Familie der Korbblütler wie z. Bsp. die Sonnenblume und die Gänseblümchen. 

Auf den ersten Blick scheint der Löwenzahn wie alle andern Pflanzen zu sein. Seine Korbblüte besteht aus Hunderten von Zungenblüten. Der Blütenstand ist eine Scheinblüte, in dem viele gelbe Zungenblüten zu einem tellerförmigen Körbchen von etwa drei bis fünf cm Durchmesser zusammengefasst sind. In ihm öffnen sich die Einzelblüten ringförmig von außen nach innen. In der mehrere Tage währenden Blütezeit schließt sich der Blütenstand jeweils bei Nacht, Regen oder Trockenheit und schließlich beim Verblühen. Nach der Blüte sitzen die Samen auf der Blütenkrone, keimen und produzieren über die Samen noch mehr Löwenzahn. 

Das ist aber nur ein Teil der Geschichte. Bei der sexuellen Vermehrung steuern beide Elternteile (Pollen vom männlichen und Fruchtknoten mit Eizellen vom weiblichen Teil)  zu gleichen An-teilen der Erbfaktoren (=Gene) bei, was der Regelfall ist auch beim Löwenzahn. Dabei sind In-sekten als Bestäuber gefragt, die den Pollen auf die weiblichen Narben übertragen.

Der  Löwenzahn kann aber auch anders, indem sich die weiblichen Eizellen so lange teilen können, bis sie einen Samen ergeben, der ohne männlichen Pollen keimen und sich zu einer Pflanze entwickeln kann. Die Samen dieses Löwenzahns unterscheiden sich aber von anderen Samen: Sie tragen nur die Erbanlagen von der Mutter. Man spricht dabei von Jungfernzeugung (=Parthenogenese). Die Nachkommen sind dabei genetisch mit der Mutter identisch (=Klon), besitzen aber nur die Hälfte der Gene von normalen Samen. Jede neue Pflanze produziert ihre Samen ebenfalls ungeschlechtlich mit der Hälfte der Gene. Durch diese Vermehrung hat der Löwenzahn einen Vorsprung gegenüber Konkurrenten, wenn es darum geht Neuland zu erobern oder wo Bestäuber  für eine Befruchtung rar sind.

Der Löwenzahn ist also mit der Jungfernzeugung dem Sexzwang entkommen. Aber dies birgt Gefahren. Früher oder später können zufällige Erbveränderungen (=Mutationen) eine ganze Herkunftslinie auslöschen.  Aber der Löwenzahn ist clever: Ein Teil der Pflanzen vermehrt sich sexuell, der andere zieht die ungeschlechtliche Variante vor und kann sogar beides in einem.  Auch Pollen einer ungeschlechtlichen Mutterpflanze kann solche Pflanzen befruchten, die sich sexuell vermehrt haben. Die gereiften Samen können sich dann sowohl ungeschlechtlich oder sexuell vermehren. Eine Win-win-Situation.

Dies ist aber noch nicht alles: Wird die Pfahlwurzel eines Löwenzahns zerschnitten, so kann jedes Teilstück eine neue Pflanze bilden. Man nennt dies vegetative Vermehrung.

Der Löwenzahn hat die Vermehrung zu einer Kunst gemacht und ist Meister der Überlebens-strategien.