Der Fliegenpilz - ein magischer Pilz

Text und Bilder von Ernst Hofmann

Bild 1: Junger Pilz mit weissen Flocken auf dem Hut
Bild 2: Älterer Pilz mit Lamellen auf der Unterseite

Der Fliegenpilz  -  ein magischer Pilz

Wer kennt ihn nicht, den Pilz mit seinem leuchtend roten Fruchtkörper und den weissen Flöck-chen auf dem Hut? Der Fliegenpilz ist der unbestrittene Star unserer Pilzwelt und spielte schon bei vielen alten Kulturen und Völkern eine wichtige Rolle. Im kalten Norden etwa diente er als Rauschmittel. Durch den Genuss kam man den Göttern näher. Und die Rolle des Fliegenpilzes als Glückssymbol hat sich bei uns bis heute erhalten.

Unter dem Namen „Fliegenpilz“  figurieren verschiedene Pilze, die vom Sammler nicht genauer unterschieden werden. So gibt es beim Roten Fliegenpilz Varietäten, die farblich gelb, orange oder weiss vorkommen. Typisch für den Fliegenpilz sind weiße Schuppen auf dem Hut. Das sind Reste der ersten, weißen Haut eines jungen Fliegenpilzes. Die weißen Schuppen sind bei Regen leicht abwaschbar und können dann fehlen. 

Es gibt viele Erklärungen, wieso der Fliegenpilz so genannt wird. Einer Theorie zufolge wurde er früher zerschnitten und in Zuckermilch eingelegt, um Fliegen in Wohnräumen anzulocken und sie zu vergiften. Dies wirkt aber nur begrenzt: Ein Versuch zeigte, dass die Mischung aus Zucker-milch und Fliegenpilz Fliegen nur betäubt. Lässt man sie in Ruhe, erholen sie sich schnell und fliegen wieder davon. Eine andere Erklärung betrifft nicht die Giftigkeit des Fliegenpilzes, son-dern seine Wirkung auf die Psyche von Menschen. Im Mittelalter waren Fliegen ein Symbol für Wahnsinn. Manche Leute, die Fliegenpilze zu sich nahmen, bekamen Halluzinationen. 

Der Fliegenpilz ist eindeutig giftig. Er hat halluzinogene, psychoaktive und toxische Eigenschaf-ten. Der Hauptgiftstoff ist die Ibotensäure und nicht wie früher angenommen das Muscarin. Zwar ist der Fliegenpilz giftig, aber nicht so gefährlich, wie man es oft hört. Erwachsene, die gesund sind, sterben davon nicht. Die Folgen sind aber schlecht abzuschätzen. 

Was die meisten Menschen als Pilz bezeichnen, ist eigentlich nur der sichtbare Fruchtkörper. Genau genommen dient dieser ausschliesslich der Fortpflanzung.  Die Fruchtschicht befindet sich beim Fliegenpilz auf der Hutunterseite auf den Lamellen. Hier entstehen abertausende Sporen, die im Gegensatz zu den Samen der Blütenpflanzen winzig klein sind und keine Nah-rungsreserven für den Jungpilz enthalten. Die Verbreitung an neue Standorte erfolgt durch den Wind. Sind die Bedingungen dort geeignet, keimen die Sporen aus und neue Pilzkolonien ent-stehen. Der eigentliche Pilz lebt im Erdreich und bildet dort ein dichtes, weitverzweigtes Pilz-geflecht, das sogenannte Mycel, aus dem die Fruchtkörper hervorgehen. Das Mycel besteht aus einem feinmaschigen Netz aus einzelnen Pilzfäden (Hyphen), die die oberste Schicht des Erd-reichs durchwachsen.

Der Fliegenpilz kommt meist in der Nähe von Fichten(=Rottannnen) oder Birken vor, mit denen er eine enge Partnerschaft eingeht, eine sogenannte Symbiose. Davon profitieren beide Seiten. Der Pilz bildet um die Baumwurzeln ein dichtes Pilzgeflecht. Da das Pilzgeflecht(=Mycel) nicht nur die Wurzeln umhüllt, sondern sich grossflächig im Waldboden ausbreitet, kann der Pilz deshalb Nährsalze wie Stickstoff und Phosphor und Wasser deutlich effizienter aufnehmen als der Baum. Andererseits können Pilze nicht selber Zucker produzieren, wie dies die Bäume durch die Photosynthese (Prozess im Blattgrün, in dem aus Sonnenlicht Energie in Form von Zucker produziert wird) vermögen. Der Austausch der begehrten Produkte findet an den vom Pilzge-flecht ummantelten Wurzelspitzen statt. Diese Verbindung nennt man Mykorrhiza („Pilz-Wurzel“).

Pilze sind faszinierende Lebewesen, die neben den vielzelligen Tieren und Pflanzen ein eigenes Reich bilden. Zählte man sie noch vor wenigen Jahrzehnten zum Pflanzenreich, so zeigten gene-tische Untersuchungen, dass sie ein mächtiges, eigenständiges Reich bilden. Ein Leben ohne Pilze wäre auf unserer Erde nicht möglich. Sie stellen ein wichtiges Bindeglied im Kreislauf des Sterbens und Lebens dar. Neben der Symbiose ernähren sich Pilze vorwiegend von totem, or-ganischem Material  oder aus Mineralstoffen des Bodens und erschliessen diese zum Nutzen aller Lebewesen auf dieser Erde.